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Präsidentinnen und Präsidenten der Landessozialgerichte befürchten gravierende Verfahrensverzögerungen durch geplante Gesetzesänderungen des Sachverständigenrechts

Datum: 05.11.2015

Kurzbeschreibung: Verfahrensverzögerungen durch geplante Gesetzesänderungen des Sachverständigenrechts

Präsidentinnen und Präsidenten der Landessozialgerichte befürchten gravierende Verfahrensverzögerungen durch geplante Gesetzesänderungen des Sachverständigenrechts

 Sie haben mit einer gemeinsamen Erklärung an den Gesetzgeber appelliert, auf geplante Änderungen des Sachverständigenrechts für das sozialgerichtliche Verfahren zu verzichten. Derzeit dauern sozialgerichtliche Verfahren z. B. in Baden-Württemberg sowohl in erster als auch in zweiter Instanz durchschnittlich etwa 12 Monate (Klageverfahren 11,9, Berufungsverfahren 12,2 Monate, bezogen auf das Jahr 2014). Diese Verfahrensdauer gilt es, weiter zu verkürzen und nicht zu verlängern, weil die meisten Verfahren in der Sozialgerichtsbarkeit existenzielle Leistungen (Grundsicherung, Renten, Krankenversicherung) betreffen. Die beabsichtigten Änderungen im Sachverständigenrecht, insbesondere die verpflichtende Anhörung zur Person eines Sachverständigen vor Erteilung eines Gutachtensauftrages, werden zu einer Verfahrensverlängerung führen, die die Präsidentinnen und Präsidenten der Landessozialgerichte für nicht vertretbar halten.

Die gemeinsame Erklärung der Präsidentinnen und Präsidenten der Landessozialgericht lautet im Volltext:

  

Gemeinsame Erklärung

der Präsidentinnen und Präsidenten der Landessozialgerichte

anlässlich der 47. Richterwoche des Bundessozialgerichts

zum

Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts

und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in

Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

  

Nicht notwendige Eingriffe in ein funktionierendes System

Die Einholung von Sachverständigengutachten funktioniert in der Sozialgerichtsbarkeit reibungslos. Sowohl Sozialgerichtsgutachten als auch das bislang praktizierte Verfahren bei deren Einholung weisen bei den Beteiligten einen hohen Akzeptanzgrad auf. Die Auswirkungen der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz beabsichtigten Änderungen im Sachverständigenrecht der Zivilprozessordnung auf die Sozialgerichtsbarkeit sind gravierend.

 Verfahrensverlängerung statt Prozessökonomie

Einige der beabsichtigten Änderungen werden das durch die Amtsermittlung geprägte Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit eher erschweren als fördern. Dazu gehört insbesondere die verpflichtende Anhörung der Beteiligten zur Person eines Sachverständigen vor Erteilung des Gutachtensauftrages. Diese wird die Dauer vieler Sozialgerichtsverfahren um Monate verlängern. Der Nutzen für die Beteiligten ist zweifelhaft: Bereits jetzt erfahren die Beteiligten durch den schriftlichen Gutachtensauftrag den Namen des beauftragten Sachverständigen so rechtzeitig, dass sie hinreichend Gelegenheit haben, Einwendungen zu erheben oder einen Ablehnungsantrag zu stellen. Außerdem können die Kläger im Sozialgerichtsprozess einen Gutachter ihres Vertrauens beauftragen lassen.

 Appell an den Gesetzgeber

Die Präsidentinnen und Präsidenten der Landessozialgerichte appellieren daher anlässlich der 47. Richterwoche des Bundessozialgerichts, bei der es um das Thema „Qualitätssicherung“ geht, an den Gesetzgeber, bei den geplanten Änderungen im Sachverständigenrecht die negativen Auswirkungen auf die Sozialgerichtsbarkeit stärker zu berücksichtigen. Angesichts der neuen Herausforderungen, die an die Sozialgerichtsbarkeit gestellt werden, sollte auf die beabsichtigten Änderungen für die Sozialgerichtsbarkeit verzichtet werden.

 Mit freundlichen Grüßen

 Dr. Karsten Toparkus

Richter am Landessozialgericht

-Pressesprecher-

 

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